TY - JOUR T1 - Von Goethes dynamischer Pflanzenmorphologie zur evolutionären Entwicklungsbiologie («EVO-DEVO»): Holismus und Reduktionismus ergänzen sich. Herbsttagung «Evolving Morphology» A1 - Rutishauser, Rolf JA - Elem. d. Naturw. JF - Elemente der Naturwissenschaft PY - 2018 VL - 108 SP - 80 EP - 100 DO - 10.18756/edn.108.80 SN - p-ISSN 0422-9630 LA - de N2 -

Wie bei andern Biowissenschaften gibt es innerhalb der Pflanzenmorphologie hauptsächlich zwei Denkschulen. Holistisch veranlagte Vertreter betonen den heuristischen Wert komplementärer Perspektiven, von Kontinuum, Fuzziness und Prozessdenken (im Sinne von «sowohl-als-auch»). Mehr reduktionistisch agierende Pflanzenmorphologen vertrauen auf eindeutige Begriffe und Konzepte (im Sinne von «entweder-oder») und lassen meist nur eine Meinung gelten. Mit beiden Denkweisen vertraut war bereits Goethe in seiner Doppelrolle als Poet und Forscher. - In der heute dominierenden evolutionären Entwicklungsbiologie (Kürzel «EVO-DEVO») leben beide Denkschulen weiter. Goethes dynamische Pflanzenmorphologie behält innerhalb von EVO-DEVO ihren berechtigten Platz, als sinnvolle Ergänzung zu entwicklungsgenetischen Analysen. Will man Organismen um uns herum in ihrer Ganzheit verstehen, so kann auch die mystische Vereinigung mit der zu erforschenden Pflanze zu einem Erkenntnisgewinn führen (so wie es die Nobelpreisträgerin Barbara McClintock vor Jahrzehnten erfahren hat).

N1 -

As in other biological disciplines, there are mainly two schools of thought in plant morphology. Proponents of holism emphasize the heuristic value of complementing (seemingly contradictory) perspectives, accepting a continuum view, fuzziness and process thinking. This coincides with “as-well-as” in philosophy. Reductionists in plant morphology and other sciences appreciate crisp concepts and usually accept just one view as the right one. This way of thinking equals “either-or” in philosophy and may coincide with conceptual realism. Both methods were practiced by Goethe as poet and scientist. He moved freely between these approaches. Evolutionary developmental biology (abbreviated “EVO-DEVO”) as a modern biological discipline absorbed several aspects of Goethe’s dynamic morphology, including both schools of thought. If we really want to understand development and evolution of living organisms, it may be advantageous to accept even a kind of mystic union with plants, as already practiced by Barbara McClintock who detected jumping genes in maize.
 

AB -

Wie bei andern Biowissenschaften gibt es innerhalb der Pflanzenmorphologie hauptsächlich zwei Denkschulen. Holistisch veranlagte Vertreter betonen den heuristischen Wert komplementärer Perspektiven, von Kontinuum, Fuzziness und Prozessdenken (im Sinne von «sowohl-als-auch»). Mehr reduktionistisch agierende Pflanzenmorphologen vertrauen auf eindeutige Begriffe und Konzepte (im Sinne von «entweder-oder») und lassen meist nur eine Meinung gelten. Mit beiden Denkweisen vertraut war bereits Goethe in seiner Doppelrolle als Poet und Forscher. - In der heute dominierenden evolutionären Entwicklungsbiologie (Kürzel «EVO-DEVO») leben beide Denkschulen weiter. Goethes dynamische Pflanzenmorphologie behält innerhalb von EVO-DEVO ihren berechtigten Platz, als sinnvolle Ergänzung zu entwicklungsgenetischen Analysen. Will man Organismen um uns herum in ihrer Ganzheit verstehen, so kann auch die mystische Vereinigung mit der zu erforschenden Pflanze zu einem Erkenntnisgewinn führen (so wie es die Nobelpreisträgerin Barbara McClintock vor Jahrzehnten erfahren hat).

ST - Von Goethes dynamischer Pflanzenmorphologie zur evolutionären Entwicklungsbiologie («EVO-DEVO»): Holismus und Reduktionismus ergänzen sich UR - https://dx.doi.org/10.18756/edn.108.80 Y2 - 2024-04-19 07:09:46 ER -