@article{10.18756/edn.77.106, title = {{Spekulationen zu Gehirn und Geist. Gerhard Roth: F{\"u}hlen, Denken, Handeln: Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Suhrkamp, Frankfurt 2001. ISBN 3-518-58313-1. 488 S., mit Abb., gebunden. EUR 29.80, CHF 51.50.}}, shorttitle = {{Spekulationen zu Gehirn und Geist}}, author = {Ziegler, Renatus}, journal = {Elemente der Naturwissenschaft}, year = {2002}, volume = {77}, pages = {106--109}, url = {https://dx.doi.org/10.18756/edn.77.106}, doi = {10.18756/edn.77.106}, issn = {p-ISSN 0422-9630}, language = {de}, abstract = {
Das Jahrzehnt des Gehirns (Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts) hat eine Flut von Ver{\"o}ffentlichungen gebracht, die anh{\"a}lt und immer noch am Steigen ist. Auff{\"a}llig ist dabei unter Anderem, dass erstens meist Detailfragen {\"u}ber das Funktionieren von Gehirn und Nervensystem im Vordergrund stehen und die fundamentalen Fragen nach der Autonomie des individuellen Selbstbewusstseins entweder dilettantisch oder gar nicht angegangen werden und dass zweitens kaum Darstellungen zu den praktischen Konsequenzen der vertretenen Ansichten existieren. Beide Tendenzen sowie weitere Eigenheiten der Geist-Gehirn-Debatte k{\"o}nnen exemplarisch am neusten Buch von Gerhard Roth, {\guillemotleft}F{\"u}hlen, Denken, Handeln: Wie das Gehirn unser Verhalten steuert{\guillemotright} verdeutlicht werden.
Zun{\"a}chst zu den Konsequenzen: Es wird davor zur{\"u}ckgeschreckt, das eigentliche Ergebnis der Untersuchungen radikal auszusprechen (S. 447--449). Wir seien keine neurobiologischen Maschinen, hei{\ss}t es zwar -- und doch ist die von Roth so genannte {\guillemotleft}Autonomie menschlichen Handelns{\guillemotright} nichts anderes als eine Bestimmung dieses Handelns aus k{\"o}rperlichen und k{\"o}rperbasierten seelischen Funktionen (Erziehung, Gewohnheit etc.) auf deterministischer Grundlage. Andererseits werden die Konsequenzen mit scheinbar gro{\ss}er Bescheidenheit nicht gezogen: {\guillemotleft}Ich verzichte bewusst darauf, am Ende dieses Buches die m{\"o}glichen Konsequenzen zu er{\"o}rtern, die sich aus dem, was ich gesagt habe, f{\"u}r den privaten Umgang von Menschen miteinander, f{\"u}r das gesellschaftliche Leben, das Erziehungssystem und auch f{\"u}r unser Rechtssystem (zum Beispiel im Zusammenhang mit der Willensfreiheit und einer pers{\"o}nlichen Verantwortung f{\"u}r das eigene Tun) ergeben. [...]
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Das Jahrzehnt des Gehirns (Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts) hat eine Flut von Ver{\"o}ffentlichungen gebracht, die anh{\"a}lt und immer noch am Steigen ist. Auff{\"a}llig ist dabei unter Anderem, dass erstens meist Detailfragen {\"u}ber das Funktionieren von Gehirn und Nervensystem im Vordergrund stehen und die fundamentalen Fragen nach der Autonomie des individuellen Selbstbewusstseins entweder dilettantisch oder gar nicht angegangen werden und dass zweitens kaum Darstellungen zu den praktischen Konsequenzen der vertretenen Ansichten existieren. Beide Tendenzen sowie weitere Eigenheiten der Geist-Gehirn-Debatte k{\"o}nnen exemplarisch am neusten Buch von Gerhard Roth, {\guillemotleft}F{\"u}hlen, Denken, Handeln: Wie das Gehirn unser Verhalten steuert{\guillemotright} verdeutlicht werden.
Zun{\"a}chst zu den Konsequenzen: Es wird davor zur{\"u}ckgeschreckt, das eigentliche Ergebnis der Untersuchungen radikal auszusprechen (S. 447--449). Wir seien keine neurobiologischen Maschinen, hei{\ss}t es zwar -- und doch ist die von Roth so genannte {\guillemotleft}Autonomie menschlichen Handelns{\guillemotright} nichts anderes als eine Bestimmung dieses Handelns aus k{\"o}rperlichen und k{\"o}rperbasierten seelischen Funktionen (Erziehung, Gewohnheit etc.) auf deterministischer Grundlage. Andererseits werden die Konsequenzen mit scheinbar gro{\ss}er Bescheidenheit nicht gezogen: {\guillemotleft}Ich verzichte bewusst darauf, am Ende dieses Buches die m{\"o}glichen Konsequenzen zu er{\"o}rtern, die sich aus dem, was ich gesagt habe, f{\"u}r den privaten Umgang von Menschen miteinander, f{\"u}r das gesellschaftliche Leben, das Erziehungssystem und auch f{\"u}r unser Rechtssystem (zum Beispiel im Zusammenhang mit der Willensfreiheit und einer pers{\"o}nlichen Verantwortung f{\"u}r das eigene Tun) ergeben. [...]
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