TY - JOUR T1 - Auf dem Weg zur Erforschung der Willensfreiheit A1 - Schuerer, Carolin JA - Elem. d. Naturw. JF - Elemente der Naturwissenschaft PY - 2022 VL - 116 SP - 57 EP - 67 DO - 10.18756/edn.116.57 SN - p-ISSN 0422-9630 LA - de N2 - Über die Freiheit des menschlichen Handelns hat es seit den griechischen Denkern die verschiedensten Perspektiven gegeben. Was jedoch von damals bis heute fortdauert, ist die Relevanz dieser Frage für alles menschliche Tun und in immer spürbarer Konsequenz – wie angesichts der Probleme unserer Zeit täglich deutlicher wird – für die ganze Gesellschaft und die Entwicklung von Natur und Menschheit auf der Erde. Wenn auch die Ursprünge dieser Frage einstmals in Religion und Philosophie lagen und in gewisser Weise dort auch heute noch eine individuelle Antwort gefunden werden kann, so ist es dennoch nicht verwunderlich, dass in den verschiedenen Zeit- und Kulturepochen unterschiedliche Fachrichtungen vorherrschen und den wissenschaftlichen Diskurs, auch zu dieser Frage, dominieren. Als Gott noch wusste was gut und böse ist, und als sich nur wenige Denker mit der Freiheitsproblematik beschäftigten – da die dies ermöglichenden Lebensbedingungen noch seltener waren – stand diese Frage nicht unbedingt im Zentrum der Gesellschaft. Heute haben viele Menschen auf der Welt zwar die Möglichkeit und hätten, dank der Technik, auch die Zeit, darüber selbständig nachzudenken – und doch sind viele noch immer weit davon entfernt, eine für sie erlebbare, befriedigende und lebenspraktische Antwort auf die Freiheitsfrage zu finden. Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Möglichkeit, das Problem an die Neurowissenschaft zu delegieren und sich dort eine bequeme Antwort abzuholen, die nicht unbedingt zum Weiterdenken anregt, sondern eher Möglichkeiten zu versperren scheint. Doch eine genauere Betrachtung der neuronalen Phänomene führt auch hier zu einer erweiterten Sicht auf die Konfiguration des Menschen. Und nicht zuletzt darauf, wie weisheitsvoll er in die Gesetzmässigkeit der Natur eingegliedert ist und sich gleichzeitig doch ein Fenster errungen hat, um sich in ausgesuchten Momenten von dieser Natur unabhängig zu machen. Ist das, was sich für uns innerlich «frei» anfühlt auch wirklich «frei»? Daran schliesst sich heute fast unmittelbar die Frage: «Wie wird ein solches Erlebnis im Gehirn vorbereitet?», ohne dass die Fragenden darauf aufmerksam werden, welch ein Sprung zwischen diesen beiden Wirklichkeitsebenen – dem inneren Erleben und der neurophysiologischen Messung – stattfindet. N1 - Über die Freiheit des menschlichen Handelns hat es seit den griechischen Denkern die verschiedensten Perspektiven gegeben. Was jedoch von damals bis heute fortdauert, ist die Relevanz dieser Frage für alles menschliche Tun und in immer spürbarer Konsequenz – wie angesichts der Probleme unserer Zeit täglich deutlicher wird – für die ganze Gesellschaft und die Entwicklung von Natur und Menschheit auf der Erde. Wenn auch die Ursprünge dieser Frage einstmals in Religion und Philosophie lagen und in gewisser Weise dort auch heute noch eine individuelle Antwort gefunden werden kann, so ist es dennoch nicht verwunderlich, dass in den verschiedenen Zeit- und Kulturepochen unterschiedliche Fachrichtungen vorherrschen und den wissenschaftlichen Diskurs, auch zu dieser Frage, dominieren. Als Gott noch wusste was gut und böse ist, und als sich nur wenige Denker mit der Freiheitsproblematik beschäftigten – da die dies ermöglichenden Lebensbedingungen noch seltener waren – stand diese Frage nicht unbedingt im Zentrum der Gesellschaft. Heute haben viele Menschen auf der Welt zwar die Möglichkeit und hätten, dank der Technik, auch die Zeit, darüber selbständig nachzudenken – und doch sind viele noch immer weit davon entfernt, eine für sie erlebbare, befriedigende und lebenspraktische Antwort auf die Freiheitsfrage zu finden. Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Möglichkeit, das Problem an die Neurowissenschaft zu delegieren und sich dort eine bequeme Antwort abzuholen, die nicht unbedingt zum Weiterdenken anregt, sondern eher Möglichkeiten zu versperren scheint. Doch eine genauere Betrachtung der neuronalen Phänomene führt auch hier zu einer erweiterten Sicht auf die Konfiguration des Menschen. Und nicht zuletzt darauf, wie weisheitsvoll er in die Gesetzmässigkeit der Natur eingegliedert ist und sich gleichzeitig doch ein Fenster errungen hat, um sich in ausgesuchten Momenten von dieser Natur unabhängig zu machen. Ist das, was sich für uns innerlich «frei» anfühlt auch wirklich «frei»? Daran schliesst sich heute fast unmittelbar die Frage: «Wie wird ein solches Erlebnis im Gehirn vorbereitet?», ohne dass die Fragenden darauf aufmerksam werden, welch ein Sprung zwischen diesen beiden Wirklichkeitsebenen – dem inneren Erleben und der neurophysiologischen Messung – stattfindet. AB - Über die Freiheit des menschlichen Handelns hat es seit den griechischen Denkern die verschiedensten Perspektiven gegeben. Was jedoch von damals bis heute fortdauert, ist die Relevanz dieser Frage für alles menschliche Tun und in immer spürbarer Konsequenz – wie angesichts der Probleme unserer Zeit täglich deutlicher wird – für die ganze Gesellschaft und die Entwicklung von Natur und Menschheit auf der Erde. Wenn auch die Ursprünge dieser Frage einstmals in Religion und Philosophie lagen und in gewisser Weise dort auch heute noch eine individuelle Antwort gefunden werden kann, so ist es dennoch nicht verwunderlich, dass in den verschiedenen Zeit- und Kulturepochen unterschiedliche Fachrichtungen vorherrschen und den wissenschaftlichen Diskurs, auch zu dieser Frage, dominieren. Als Gott noch wusste was gut und böse ist, und als sich nur wenige Denker mit der Freiheitsproblematik beschäftigten – da die dies ermöglichenden Lebensbedingungen noch seltener waren – stand diese Frage nicht unbedingt im Zentrum der Gesellschaft. Heute haben viele Menschen auf der Welt zwar die Möglichkeit und hätten, dank der Technik, auch die Zeit, darüber selbständig nachzudenken – und doch sind viele noch immer weit davon entfernt, eine für sie erlebbare, befriedigende und lebenspraktische Antwort auf die Freiheitsfrage zu finden. Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Möglichkeit, das Problem an die Neurowissenschaft zu delegieren und sich dort eine bequeme Antwort abzuholen, die nicht unbedingt zum Weiterdenken anregt, sondern eher Möglichkeiten zu versperren scheint. Doch eine genauere Betrachtung der neuronalen Phänomene führt auch hier zu einer erweiterten Sicht auf die Konfiguration des Menschen. Und nicht zuletzt darauf, wie weisheitsvoll er in die Gesetzmässigkeit der Natur eingegliedert ist und sich gleichzeitig doch ein Fenster errungen hat, um sich in ausgesuchten Momenten von dieser Natur unabhängig zu machen. Ist das, was sich für uns innerlich «frei» anfühlt auch wirklich «frei»? Daran schliesst sich heute fast unmittelbar die Frage: «Wie wird ein solches Erlebnis im Gehirn vorbereitet?», ohne dass die Fragenden darauf aufmerksam werden, welch ein Sprung zwischen diesen beiden Wirklichkeitsebenen – dem inneren Erleben und der neurophysiologischen Messung – stattfindet. ST - Auf dem Weg zur Erforschung der Willensfreiheit UR - https://dx.doi.org/10.18756/edn.116.57 Y2 - 2024-12-22 03:04:47 ER -