Zum Begriff Trübe

Elemente der Naturwissenschaft 19, 1973, P. 1-12 | DOI: 10.18756/edn.19.1

Abstract:

Das im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten sich. verwandelnde Erscheinungsbild der Welt bildet für Goethe (1808), in seinem «Entwurf einer Farbenlehre» (erster Band, didaktischer Teil) den Bereich der «physischen Farben». Diese zeigen sich beispielhaft in der Atmosphäre, deren Eigenschaft Trübung von Goethe zum Verständnis der Phänomene hervorgehoben wurde. In Anbetracht der von Rudolf Steiner (1883-1897) in seinen Anmerkungen zu Goethes Farbenlehre (1808), (1810) und an anderem Ort (Rudolf Steiner 1919) vorgebrachten methodischen Hinweise kann der Frage, worin Trübung bestehe, erneut nachgegangen werden. Im vorliegenden Beitrag versuche ich, von der Erfahrung am Bereich der physischen Farben insgesamt auszugehen und eine Bestimmung der Begriffsbildung durch materielle Partikelvorstellungen oder die Gewohnheit des Sprachgebrauches zu vermeiden.

Mit dem Begriff «Trübe» ist hier eine Wirkensart in der Welt des Sehens gemeint, die, wie gezeigt wird, das gegenständliche Element verfremdet, das Erscheinen von Bildern fördert, die von übergreifenden Zusammenhängen künden, das unmittelbare Ergriffensein von Licht und Finsternis mildert, indem sie anschaulichen Phänomenen Raum schafft.

Diese Wirkungen bilden in sehr bedeutsamer Weise die Umwelt, in der sich jeweils unser Bewusstsein entfalten kann.

Im Anhang wird schliesslich auf den Bezug einer solchen Begriffsbildung zu Kategorien der physikalischen Optik eingegangen. [...]
 

References
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