Biographische Habitate

Zur Überwindung des tiefverwurzelten metaphysischen Vorurteils, der Mensch sei von der «äußeren» Welt getrennt
Elemente der Naturwissenschaft 98, 2013, S. 20-32 | DOI: 10.18756/edn.98.20

Zusammenfassung:

Dieses Kapitel führt zu einem neuen Verständnis unserer selbst – das heißt, einem neuen Verständnis des einzelnen Ich, das sein Selbstbewusstsein normalerweise auf seiner vermeintlichen Isolation gründet. Wir wollen hier die wechselseitige Beziehung mit dem Rest der Welt betonen und den Blick darauf richten, wie die Natur ihre Wesen stets mit einem jeweiligen Habitat umgibt. Anschließend wollen wir zeigen, dass es die Sinneserfahrung ist, die dem Selbst sein eigenes, individuelles und spezifisches «Habitat» liefert. Philosophisch ausgedrückt bedeutet dieser Ansatz nichts weniger als die Auffassung der Subjekt-Objekt-Spaltung aufzugeben. Diese tiefverwurzelte, meist unbewusste Auffassung kann aufgegeben werden, zumindest in Phasen intensivierter «Präsenz». Und selbst im Alltag fühlen wir uns viel weniger von unserem Habitat der jeweils gegenwärtigen Erscheinungen getrennt, als unsere angenommene Trennung von der Welt uns nahelegen würde. Die vorangehenden Kapitel betonten, dass die gegenwärtigen Erschei- nungen Aufmerksamkeit und intentionale Aktivität erfordern, um in unse- rem Bewusstsein aufzutauchen. Wird diese Aktivität zur Erfahrung, lernen wir die Erscheinungen, an denen wir teilhaben, als zu uns gehörig und damit exklusiv wertzuschätzen. Es scheint, als wären wir kontinuierlich damit beschäftigt, gerade sie – und keine anderen – auszuwählen. Wir können lernen, sie als Quellen neuer Impulse in unserer Biographie zu achten, die uns fortwährend begleiten. In der Regel halten wir unsere Umgebung nicht für einen Teil von uns selbst, obwohl wir z. B. unser Zuhause lieben, uns zu unserem Geburtsort hingezogen fühlen und mit den Menschen verbunden sind, die an unserem Leben teilhaben.