Immediat- und Langzeitwirkungen in der Therapie

Beispiele aus der physikalischen Medizin
Elemente der Naturwissenschaft 37, 1982, S. 11-18 | DOI: 10.18756/edn.37.11

Zusammenfassung:

Die moderne Medizin hat sich daran gewöhnt, in der Therapie die unmittelbar vom Medikament bewirkten Veränderungen bereits als Heilwirkung anzusehen. Demzufolge versucht sie, diese Wirkungen während des ganzen Behandlungsverlaufs durch eine möglichst lückenlose Zufuhr des Medikaments über einen konstanten «Wirkspiegel» aufrechtzuerhalten. Dabei geht man davon aus, dass die angezielte unmittelbare Wirkung immer die gleiche bleibt, und man fasst es als eine störende und oft unerwartete «Nebenwirkung» auf, wenn Änderungen und. zusätzliche Effekte auftreten.

Rudolf Steiner (1922) hat in seinen medizinischen Vorträgen sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es bei der Therapie entscheidend ist, dass die heilenden Fähigkeiten des Organismus selbst durch die Behandlung angeregt werden: «Aber wir müssen uns bei alledem ganz klar darüber sein, dass wir es im menschlichen Organismus wirklich zu tun haben mit etwas, was nicht, ich möchte sagen, ganz geheilt sein will, sondern nur angeregt sein Will zur Heilung. Das ist von ungeheurer Wichtigkeit. Der menschliche Organismus will eigentlich im kranken Zustande angeregt werden zur Heilung» !

Eine solche Anregung kann nur bedeuten, dass diese heilenden Kräfte nicht von vornherein in voller Stärke auftreten können, sondern sich durch fortgesetzte Anregung erst entfalten, entwickeln und steigern müssen. Es sind daher im Verlauf einer Behandlung gerade die bei gleichbleibender Applikation eintretenden Änderungen (also die sog. «Nebenwirkungen»), die das Ingangkommen der gewünschten Heilungsvorgänge anzeigen. [...]
 

Referenzen
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