Zur Theorie der Farbqualitäten

Elemente der Naturwissenschaft 82, 2005, S. 28-72 | DOI: 10.18756/edn.82.28

Zusammenfassung:

Die Erkenntnislehre des empirischen Idealismus gestattet die Begründung einer reinen Farbentheorie. Deren Einzelheiten lassen sich aus Wittgensteins Konzeption einer Logik der Farbbegriffe entwickeln. Letztere führt zu einer Ordnung der Qualitäten, deren Prinzipien im Zusammenspiel der konkreten Farbempfindungen teils prägend wirksam, teils außer Kraft gesetzt sind und die mit den quantitativen und organischen Aspekten der Farbe zusammenwirken. Der Begriff der Phäno menologie wird als Lehre vom Zusammenhang der Erscheinungen verstanden und exemplarisch auf die Farberscheinungen angewandt. Der Mischung liegt ein Idealtypus zugrunde, der sich auf je verschiedene Weise der Darstellbarkeit mittels der das Sehvermögen berührenden Medien und Farbträger entzieht, sodass seine ideelle Einheit in verschiedene Gesetzmäßigkeiten zerfällt, die als sich ergänzende Teilaspekte auf den Typus weisen; so werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von additiver, subtraktiver und partitiver Mischung verständlich. Additive Mischung und Kontrast setzen die Konkretisierung der Qualität in der aktuellen Farbemp findung voraus; beide gehören als Glieder einer übergeordneten Zweiheit zusammen und werden im Sehvorgang durch die Farbkonstanz im Gleichgewicht gehalten. Im Grau erreichen die Mischungsvorgänge einen Endzustand, während die produktive Kraft des Kontrasts im Grau des Schattens am stärksten wirksam wird. Die antago nistischen Farbpaare in der qualitativen Ordnung, das komplementäre Prinzip in Mischung und Kontrast, das duale Prinzip der dioptrischen Farben sind Abschat tungen der Polarität von Licht und Finsternis. - Die Arbeit behandelt die unabhängig von der Mathematik und Physik darstellbaren Aspekte des Themas, trägt aber durch Ausblicke auf die Farbmetrik der Tatsache Rechnung, dass Qualität und Quantität in der Wirklichkeit untrennbar sind.

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