Plastizität des Blütenbodens und des Fruchtknotens – Unterständigkeit

Elemente der Naturwissenschaft 99, 2013, S. 21-36 | DOI: 10.18756/edn.99.21

Zusammenfassung:

Die Plastizität des Blütenbodens ist in der goetheanistischen Literatur noch wenig thematisiert. Die neueren morphologischen Publikationen über unterständige Fruchtknoten von Judd (2008), (Kuzoff (2003), Leins und Erbar (2008) und Soltis (2003) tragen wesentlich zum Verständnis der unterständigen Fruchtknoten und der Plastizität des Blütenbodens bei. Das Meristem einer Blüte ist anfänglich konisch gestaltet. Während der Veranlagung der Blütenorgane besteht die Möglichkeit, dass die Blütenanlage scheibenartig, in einem weiteren Schritt becherartig und in einem letzten Schritt zu einem unterständigen Fruchtknoten wird, bei dem der Blütenboden gemeinsam mit dem Fruchtblatt die Fruchtwand des Fruchtknotens bildet. Eine Grenzziehung zwischen Blütenachse und Fruchtblatt ist hier nicht möglich. In der Literatur gibt es zwei Interpretationen dieses Fruchtknotentyps. Die eine führt die Bildung auf eine Verschmelzung der Blattbasen der Blütenblätter mit dem Fruchtblatt zurück, die andere auf ein Streckungswachstum, das den Blütenboden und einen Teil des Fruchtblattes erfasst. Das Streckungswachstum lässt sich beobachten, die Verschmelzung nicht, sie basiert auf einem theoretischen Modell. Der unterständige Fruchtknoten lässt sich nicht aus der Struktur der vegetativen Pflanze ableiten. Die Bildung von unterständigen Fruchtknoten markiert den Endpunkt einer Metamorphosereihe, an deren Anfang oberständige Fruchtknoten stehen. Betrachtet man die Plastizität des Blütenbodens in goetheanistischem Sinne, dann muss man zwei Aspekte berücksichtigen: 1. Das Verständnis der Metamorphosereihe, die über das Einleben und Nachvoll- ziehen der einzelnen Schritte erfolgt. 2. Die Art, wie Familien, bzw. Gattungen das Thema der Unterständigkeit aufgreifen, sich zu eigen machen, und wie sie aus einem allgemeinen Prinzip zu etwas Speziellem, Einzigartigem kommen.

Referenzen
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