Gestaltbildungen im Insektenreich im Hinblick auf Lebensraumqualitäten

Elemente der Naturwissenschaft 41, 1984, P. 44-55 | DOI: 10.18756/edn.41.44

Abstract:

Je seltener und artenärmer heute viele Insektengruppen in ihrem Bestand werden (am augenfälligsten wird dieser Rückgang in der Schmetterlingsfauna), desto umfangreicher und unübersichtlicher wird die Zahl der populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu entomologischen Themen. Bücher mit brilliantem Fotomaterial ausgestattet, erreichen Rekordauflagen. Leicht eingängliche Texte mit dramatisch-vermenschlichenden Schilderungen interpretieren die Phänomene aus dem Blickwinkel der neodarwinistischen Selektionstheorie. Wir erfahren von «trickreichen Täuschungsmanövern» und «raffinierten Überlistungstaktiken», um «Selektionsvorteile» einzuheimsen Besonders die «Mimikry»-These wird in solchen Zusammenhängen unreflektiert als empirisch gefundene «Tatsache» dargestellt. Diese Theorie von den «Scheinwarntrachten» (Weber 1966) wurde ursprünglich an der Beobachtung tropischer Schmetterlinge entwikkelt; in unseren Breiten findet sie Verwendung beim Beschreiben der «Nachahmung» von Hymenopterentrachten durch blütenbesuchende Fliegen, Käfer, Sesien u.a. - Die wenigsten Autoren sind sich vielleicht dabei des hochgradig spekulativen Charakters ihrer Hypothesen bewußt.

Es soll hier nicht der Ort sein, den ganzen Fragenkomplex um das nur in Ausnahmefällen auftretende Mimikryphänomen und der ihr zugrunde liegenden MutationsSelektionstheorie zu diskutieren, liegen doch von goetheanistischer Seite bereits detaillierte Erörterungen hierzu vor. (Siehe besonders Suchantke 1974 und 1976) - weiterhin können auch die Arbeiten Heikertingers (1954) und Portmanns in diesem Zusammenhang richtungsweisend sein. Die einfach zu denkenden und unter dem Aspekt der Zweckmässigkeit einleuchtenden Deutungsversuche analoger Bildtendenzen im Insektenreich, die die Mimikry-Theorie zur Verfügung stellt, können vordergründig befriedigen, wenn man auf der Ebene kausaler Bezüge Erklärungen sucht und die wahrgenommenen Einzelphänomene aus ihrem Gesamterscheinungskomplex herauslöst. [...]
 

References
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