Annäherungen an Biographien der Materia Medica. Anregungen aus der Ethnobotanik für die Heilpflanzenerkenntnis

Elemente der Naturwissenschaft 96, 2012, S. 29-55 | DOI: 10.18756/edn.96.29

Zusammenfassung:

Die anthroposophische Heilmittelerkenntnis hat sich einen lebendigen und vielfältigen Zugang zu ihren Heilsubstanzen erarbeitet. Der vorliegende Essay möchte einen Beitrag zu diesem Unterfangen leisten, indem die Relevanz rezenter kulturwissenschaftlicher Theorien für die Heilpflanzenerkenntnis veranschaulicht werden soll. Zentralbegriffe sind hierbei Ganzheitlichkeit und Interdisziplinarität. Interdisziplinarität wird im folgenden Artikel auf die Zusammenarbeit von Natur- und Kulturwissenschaften bezogen und Ganzheitlichkeit auf einen Versuch, die verschiedenen Wissensquellen zusammen zu denken. Beispielhaft soll hierfür einerseits das interdisziplinäre Arbeitsgebiet der Ethnobotanik vorgestellt, andererseits Theorien der Wissenschaftsforschung diskutiert werden, die Dinge in den Mittelpunkt ihres kultur- und sozialwissenschaftlichen Interesses stellen. Ausgangspunkt sind aktuelle Arbeiten, die an einer Auflösung der Trennung zwischen Natur- und Kulturwissenschaften gearbeitet haben, und deren Ansätze herangezogen werden, um Möglichkeiten des Zusammendenkens unterschiedlicher Paradigmen zu skizzieren. Welcher Zugang zu den Dingen wird in diesen Arbeiten gesucht, um einen grenzüberschreitenden Blick zu ermöglichen? Durch die Diskussion der Konzepte des «Netzwerks» und der «Biographie der Dinge» wird ein relationales und prozessorientiertes Stoffverständnis veranschaulicht. Abschließend schlägt der Essay eine interdisziplinäre, ganzheitlich orientierte Herangehensweise vor, welche in der Lage ist einen erweiterten Blick auf Heilsubstanzen zu ermöglichen.

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