Die Photonen der Physik, die Potenzlehre des Aristoteles und das «Imponderabele» nach Rudolf Steiner

Elemente der Naturwissenschaft 65, 1996, S. 1-16 | DOI: 10.18756/edn.65.1

Zusammenfassung:

[...] Der inhaltliche Kern der folgenden Ausführungen wurde während der Arbeitstage für Physiker un Physiklehrer mit dem Thema «Der anthroposophische Erkenntnisansatz in seinem positiven Verhältnis zur modernen Naturwissenschaft» vorgetragen. [...] Noch für Johannes Kepler war das Licht eine «species immaterata»; in seiner Schrift «Tertius interveniens ...» von 1610, These 20, drückt er das so aus: Dem «von der Sonne zu uns herabfliesenden Liecht gebüret quantitas, doch sine materia, und motus, [1] doch sine tempore». Und es war Olaf Römer, der Landsmann des großen Kepler-Lehrers Tycho Brake, der 66 Jahre später bei der Analyse seiner Fernrohrbeobachtungen der Jupitermonde fand, daß deren Verfinsterung Unregelmäßigkeiten besaß, die von der Erd-Jupiter-Entfernung abhingen. Dieses erneut auftretende geozentrische Element der Bewegung von Himmelskörpern vermochte Römer allein dadurch zu beseitigen, daß er dem Licht eine sehr große, aber endliche Geschwindigkeit zumaß. Damit waren die Voraussetzungen gegeben, das Licht in die universelle, deterministische nachkeplersche Naturwissenschaft einzugliedern, wie sie weitere elf Jahre später von Isaac Newton in den «Philosophiae naturalis principia mathematica» durch seine Gravitationstheorie endgültig begründet wurde. Durch die Interferenzversuche von Thomas Young und Augustin Fresnel wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts, etwa in derselben Zeit, als Goethe seine Licht- und Farbenlehre entwickelte, der experimentelle «Beweis» erbracht, daß die Lichtausbreitung im Raum widerspruchslos als Wellenbewegung zu deuten sei, wie es bereits 1690 von Christian Huygens im Gegensatz zu der Korpuskular-Hypothese des Lichtes von lsaac Newton (1672) postuliert worden war. Diese «Klarheit» dauerte indes nur 200 Jahre: Die Versuche von J. Lenard am «lichtelektrischen Effekt» zeigten 1902, daß die Wirkung des Lichtes in Metallen mit einer Wellenvorstellung unverträglich ist, und drei Jahre später folgte Albert Einsteins Arbeit über «einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt», in der er seine «Lichtquanten-Hypothese» formulierte, die er ein Jahr später in Zusammenhang mit Max Plank's Quanten-Theorie der Hohlraumstrahlung setzte. [...]

 

Referenzen
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