Konvergente Evolution des Skelettes in verschiedenen Tiergruppen

Elemente der Naturwissenschaft 8, 1968, P. 8-26 | DOI: 10.18756/edn.8.8

Abstract:

Überall in der organischen Natur begegnen uns Verwandtschaftsformen auf zwei verschiedenen Ebenen. Die eine, die sich in der Gleichartigkeit der Embryonalentwicklung und in der Übereinstimmung der Grundelemente der Organe ausdrückt, ist genealogischer-genetischer Natur und liesse sich 'am besten als eine Art weitläufiger Blutsverwandtschaft bezeichnen. Eine riesige Sippe, ein Stamm, wie der Biologe sagen würde, dessen Angehörige in den Grundstrukturen so gut wie aller Organe übereinstimmen, wenn sich diese auch in spezifischer Ausformung weit voneinander entfernt haben können. Lunge und Schwimmblase sind trotz aller Verschiedenheit von Gestalt und Funktion homolog, ebenso wie die Knochen des Vogelflügels und der Walflosse.
Die andere Verwandtschaftsform, die sich in der Angleichung grundverschiedener Organe und Organismen zeigt, manifestiert sich in starker Gestaltähnlichkeit und in übereinstimmender Funktion. Ihrem Aufbau und ihrer Herkunft nach sind Vogel— und Insektenflügel, Schnecken— und Wirbeltierlunge, Delphin, Ichthyosaurier und Thunfisch aber so verschieden wie nur möglich. Sie sind einander analog oder konvergent gebildet, nicht aber homolog.
Da nun in der Evolutionsforschung, die seit Darwin auch in der Morphologie immer mehr in den Vordergrund rückt, nur die Blutsverwandtschaft eine Rolle spielt, wurde die Analogie in die Rolle einer negativen Grösse gedrängt und entwickelte sich zum «wahrhaft störenden Element» (Remane 1952), da sie unter einem «trügerischen Schleier» (Troll 1928) die wirkliche Verwandtschaft eines Organes oder Organismus verbirgt. [...]

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