Weshalb die Artenvielfalt leidet

Elemente der Naturwissenschaft 115, 2021, S. 70-72 | DOI: 10.18756/edn.115.70

Zusammenfassung:

Die Geschichte mit verklebten Windschutzscheiben ist Legende. Wenn ich vor 40 Jahren mit meinem Deux Chevaux unterwegs war, musste bei jeder Tankfüllung die Windschutzscheibe gereinigt werden, weil sie wegen der vielen zerquetschten Insekten schwarz war. Heute sind solche Aktionen auch nach 2’000 km nicht mehr nötig; die Insekten sind verschwunden. Weltweites Aufsehen erregte die Krefelder Studie, in der in 63 deutschen Naturschutzgebieten nachgewiesen wurde, dass zwischen 1989 und 2016 die Biomasse von Fluginsekten um 76 %, im Hochsommer sogar um 82 % abgenommen hatte. Wissen wir nicht genug über das Artensterben? Sind Studien immer noch nötig? Die Antwort ist einfach: Ja, weil für einen nachhaltigen und effektiven Schutz für Insekten, Vögel oder Säugetiere die Gründe ihres Verschwindens bekannt sein müssen. Auch hier ein kleines Beispiel: Im Sommer 2020 gab es infolge eines heissen und trockenen Sommers in vielen Teilen der Schweiz eine richtige Wespenplage. Unter den günstigen Bedingungen vermehrten sich die Kolonien rasant. 2021 war es kühl und feucht; es gab kein nennenswertes Aufkommen dieser Hautflügler. Solche Kurzzeit-Beobachtungen genügen sicher nicht, um Trends in Tier-Populationen abzuleiten. Dafür braucht es langjährige, differenzierte Studien. Windschutzscheibe und Biomasse erlauben zwar eindeutige Aussagen, aber keine Detailkenntnisse. Kurze Beobachtungsperioden sagen mehr über aktuelle Fluktuationen als über klare Trends.

Referenzen
  • Hendershot, J.N., Smith, J.R., Anderson, C.B., Letten, A.D., Frishkoff, L.O., Zook, J.R., Fukami, T., Daily, G.C. (2020): Intensive farming drives long-term shifts in avian community composition. Nature 579 (7799), S. 393–396. DOI: 10.1038/s41586-020-2090-6.