Nicht Baukasten, sondern Netzwerk - die Idee des Organismus in Genetik und Epigenetik
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Zusammenfassung:
Der rasche Fortschritt in der molekularen Biologie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grundlegende Beziehung zwischen den Erscheinungsformen der Organismen (Phänotyp) und ihrer genetischen Konstitution (Genotyp) noch weitgehend ungeklärt ist. Diese Klärung, so die erste These, ist nicht möglich, weil Lebewesen nicht Realisierungen ihres genetischen Programms darstellen, sondern es im Gegenteil aktiv interpretieren.
Ein Überblick über die Entwicklung vom zentralen Dogma der Genetik zum heutigen Stand der Molekularbiologie zeigt, dass auch die Prozesse zwischen DNA, RNA und Protein im molekularen Netzwerk ohne Bedeutungsvergabe durch die Organismen selber nicht verstanden werden können. Außerdem zeigen die Ergebnisse der molekularen Biologie, dass zwischen Lebewesen und Umwelt ein Kontinuum besteht, das die Trennung von Variation und Selektion als zwei unabhängigen Prozessen aufhebt.
Die goethesche Theorie des Lebendigen erlaubt, ein Verständnis der Organismen zu entwickeln. Sie postuliert ein «doppeltes Gesetz» mit einem konstituierenden Prinzip - der inneren Natur - und einem modifizierenden - den äußeren Bedingungen. Ersteres trägt der aktiven Bedeutungsvergabe Rechnung, Letzteres umfasst alle molekularen und zellulären Prozesse ebenso wie Interaktionen mit der Umwelt. An Beispielen von unbeabsichtigten Effekten der genetischen Transformation von Kulturpflanzen wird die Fruchtbarkeit des goetheschen Gesetzes in der modernen Biologie aufgezeigt.